Fast 1.000 Unterschriften gegen Windräder in Kraichtal
Der Verein Windradfreies Kraichtal n.e.V. setzt sich ein für eine Kraichtaler Landschaft im Einklang mit Mensch und Natur. Auf Basis einer vernünftigen Energiepolitik mit ökologischer, ökonomischer und optischer Berücksichtigung. Dafür scheiden übergroße Windräder auf Kraichtaler Gemarkung aus Vereins-Sicht aus. Das sehen auch knapp 1.000 Bürgerinnen und Bürger aus Kraichtal und umliegenden Regionen so und haben diesen Wunsch mit ihren Unterschriften im Rahmen einer Unterschriftensammlung in den letzten zwei Jahren bestätigt und dokumentiert.
Diese 983 Unterschriften (550 über Listenauslage und 433 über eine Online-Petition) haben nun die beiden Vorsitzenden Roland Heim und Joachim Cäsar sowie aktive Vereinsmitglieder am 21. November 2022 dem Kraichtaler Bürgermeister Tobias Borho und der Hauptamtleiterin Katharina Kimmich offiziell überreicht. In gemeinsamer Runde wurde der aktuelle Planungsstand erörtert und über Pro und vor allem Contra solcher Industrieanlagen in unserer Erholungslandschaft diskutiert.
Die Vorsitzenden legten Wert darauf, dass der Verein nicht per se gegen erneuerbare Energien ist. Der Fortschritt nichtfossiler Energieerzeugung ist in Zeiten des stetigen Temperaturanstieges notwendig. Allerdings ist der Ausbau von Windrädern in dicht besiedelten Regionen wie Kraichtal mehr als problematisch und schädigend hinsichtlich Natur, Landschaft und Mensch. Selbst der aktuelle Windatlas der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg bestätigt, dass die Region Kraichtal keine hohen Windgeschwindigkeiten erwarten lässt. Stattdessen ist der Ausbau von Photovoltaik im sonnenreichen Süden Deutschlands naheliegend. Vor allem beispielsweise auf existierenden (Industrie)Gebäuden, Wirtschafts- und Parkplatzflächen.
Windräder für Kraichtal: gar nicht gut fürs Klima?
Bei der besorgniserregenden aktuellen Wetterlage mit Hitze- und Dürreperioden ist der Ruf nach Reduzierung des CO2-Ausstosses durch den Einsatz nicht-fossiler Energieerzeuger nur allzu nachvollziehbar. Windkraft als erneuerbare Energieform steht deshalb in Politik und Gesellschaft hoch im Kurs. Doch wo Licht ist, ist auch Schatten.
Und eine dieser Schattenseiten von Windkraftanlagen hat ein aktueller Bericht des ARD-Magazins Plusminus deutlich offen gelegt. Demnach sind in Windrädern gasisolierte Schaltanlagen verbaut, die Schwefelhexafluorid (SF6) enthalten. Dieses Gas hat von allen Substanzen die stärkste Treibhauswirkung: 22.800 mal so stark wie die identische Menge CO2. Und es zersetzt sich erst nach über 3.000 Jahren, wenn es in die Atmosphäre gelangt. Laut Wissenschaftlern befindet sich in Europa fast 50 Prozent mehr SF6 in der Luft als laut gemeldeten Emissionsdaten möglich wäre. Die Mengen, die in Deutschland ausgestoßen werden, tragen stärker zum Treibhauseffekt bei als der gesamte innerdeutsche Flugverkehr. Deutschland – unter anderem mit seinen 30.000 Windrädern allein an Land - ist in Europa mit Abstand der größte Emittent. Die Hersteller von Windrädern pochen darauf, dass der Klimakiller SF6 noch unverzichtbar sei, obwohl es (kostenintensivere) Alternativen gibt. Bei jedem Windrad, das demontiert werden soll, muss sich übrigens der Besitzer (nicht der Hersteller!) selbst um das aufwendige Recycling kümmern. Und da ist natürlich die Versuchung groß, das klimaschädliche Gas SF6 einfach in die Umwelt entweichen zu lassen. Eine Kontrolle findet nicht statt.
Trotz des zunehmenden Wunsches nach Windrädern - auch hier in Kraichtal - wird unser Verein nicht müde, auf die großen Risiken durch deren Einsatz hinzuweisen. Der ARD-Beitrag zeigt deutlich, dass nicht nur von den riesigen drehenden Rotorblättern sondern auch von der eingebauten Technik erhebliche Gefahren für Mensch, Tierwelt, Natur und Umwelt ausgehen. Natürlich auch in Kraichtal, falls es zur Umsetzung kommen sollte.
Bürger-Dialog zu Windkraft in Menzingen
Am 13.11. lud der Verein „Windradfreies Kraichtal“ zu einem Infostand in der Mitte von Menzingen ein. Ziel war es, sich mit Kraichtaler Bürgerinnen und Bürgern über die Vereinsaktivitäten aber auch über die Bedenken bezüglich des Windradprojektes in Kraichtal auszutauschen. Trotz des herbstlich kühlen Wetters nutzten zahlreiche Kraichtalerinnen und Kraichtaler das Angebot: potentiell Betroffene, Eigentümer von Grundstücken im Planungsbereich, Windradskeptiker und Informations-Interessierte. Aber auch zufällige Passanten und Windradbefürworter nutzten den Stand, um sich die Argumente der Vereinsmitglieder anzuhören und sich offen und kritisch mit ihnen zu unterhalten. Im neu gestalteten Flyer konnten die Besucher die Informationen in komprimierter Form mit nach Hause nehmen. Das einhellige Fazit der Vereinsmitglieder an diesem Vormittag: „Ein guter Anfang und Weg, um auf unseren Verein und unsere Ziele aufmerksam zu machen. Und um sich (Corona-konform) von Person zu Person auszutauschen. Eine wichtige Alternative zu den Online-Angeboten.“ Besonders erfreulich war der Besuch des Landtagsabgeordneten Dr. Christian Jung, der sich vehement gegen Windkraftanlagen im windschwachen Kraichtal ausspricht. Aber auch von Vertretern der regionalen Presse. Ganz sicher wird das nicht der letzte Infostand gewesen sein. In den nächsten Tagen werden die Menzinger die neue Infobroschüre des Vereins in ihren Briefkästen finden.
Verein Windradfreies Kraichtal begutachtet Windräder aus der Nähe
Am 1. November machten sich über 20 Mitglieder des Vereins „Windradfreies Kraichtal“ sowie benachbarter Initiativen auf, um die 11 Windräder bei Straubenhardt aus der Nähe zu betrachten. Vor Ort gab Jürgen Falkenberg, stellvertretender Vorsitzender der Bürgerinitiative Gegenwind Straubenhardt, ausführliche Infos zum Windpark, zur Entstehung, Umsetzung und zu den bisherigen Erfahrungen. Die Anlagen haben eine Nabenhöhe von je 142,5 Metern und eine Gesamthöhe von je 199 Metern. Bei leichtem Wind und permanentem chsch, chsch, chsch des Windrades Nummer 10 im Hintergrund verwies Herr Falkenberg darauf, dass die Initiative für den Windpark im Gemeindewald von der Gemeindeverwaltung Straubenhardt aus ging. Nach einer wenig bis gar nicht kommunizierten Vorbereitung wurde die örtliche Bevölkerung am Tag des Sommerferien-Beginns 2014 über das geplante Großprojekt informiert. Ende 2014 beantragte der Windpark-Investor das immissionschutzrechtliche Genehmigungsverfahren. Die Offenlage der Genehmigungsunterlagen erfolgte im Sommer 2015. Zahlreiche Fehler in den Gutachten des Investors wurden in Einwendungen aufgezeigt, jedoch vom Landratsamt Enzkreis leider nicht beachtet. Mitte Dezember 2016 erfolgte die Genehmigung und sofort im Januar 2017 begannen die Rodungsarbeiten. Die BI klagte vor dem Verwaltungsgericht Karlsruhe gegen die Genehmigung, der nachweislich fehlerhafte Naturschutzgutachten zugrunde lagen. Das Gericht folgte nicht der Rechtsauffassung des EuGH und die Klage wurde erst nach 1,5 Jahren (!) zeitverzögert abgelehnt. Begründung: Die BI sei nicht klagebefugt. Bis März 2018 wurden 11 Anlagen des Typs „Siemens SWT-3.0-113“ mit je 3 Megawatt Nennleistung fertiggestellt. Insgesamt wurden dafür 14 Hektar Wald gerodet und der Boden verdichtet und versiegelt. In den ersten beiden Betriebsjahren wurden im Mittel 58.040 Megawattstunden Strom erzeugt, was der Prognose der BI Gegenwind Straubenhardt entspricht, aber nur 67,7% der Prognose des TÜV Süd als Bestandteil des Genehmigungsverfahrens. Besonders pikant: Herr Falkenberg verwies auf die technische Möglichkeit, die Rotoren der Windräder von den Generatoren zu entkoppeln und so auch bei minimalstem Wind Drehbewegungen zu ermöglichen und dadurch ein stromproduzierendes und regelmäßiges Arbeiten der Windräder vorzutäuschen. Und weiterhin: Laut Statistischem Bundesamt (Pressemitteilung Nr. N 062 vom 21.10.2021) waren Windkraft-Anlagen in Deutschland im 1. Halbjahr 2021 rein rechnerisch nur zu 21 % voll ausgelastet. Der Nutzungsgrad der Windkraft schwankte seit 2018 aufgrund unsteter Wetterverhältnisse zwischen 10 % und 47 %. Der höhere Wert kam letztendlich nur durch das Sturmtief „Sabine“ im Jahr 2020 zustande.
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